Pompeji – Leben am Rande des Vulkans


Als sich im 4. Jahrhundert vor Christus mehrere kleine vorrömische Siedlungen zur Stadt Pompeji zusammenschlossen, konnte niemand ahnen, dass dieser Ort eines Tages zu den am besten erhaltenen Zeugnissen antiken Lebens zählen würde. Jahrhunderte später, möglicherweise am 24. August 79 n. Chr., wie es der Augenzeugenbericht des Plinius nahelegt, wurde das blühende Leben der Stadt binnen Stunden unter Asche und Bimsstein begraben.

Pompeji lag in Kampanien, einer Region mit fruchtbaren vulkanischen Böden. Die Nähe zum Vesuv ermöglichte eine ertragreiche Landwirtschaft mit Oliven, Wein, Obst und Gemüse. Die Stadt war durch Handel und Landwirtschaft wohlhabend und verfügte über ein vielfältiges städtisches Leben. Öffentliche Bauten wie Tempel, Basiliken und Thermen zeugen von repräsentativer Architektur und sozialem Miteinander. Der Alltag der Bewohner war von wirtschaftlicher Aktivität, religiösen Praktiken und geselligen Momenten geprägt.

Nicht nur der Reichtum an Erträgen aus Land- und Gartenbau, sondern auch die exquisite Gestaltung der Wohnhäuser verweist auf den hohen Anspruch dieser Gesellschaft. Innenhöfe mit Wasserspielen, Marmorstatuen und Fresken, die Szenen aus Mythologie und Alltagsleben zeigten, gaben Einblick in ein Dasein, das Komfort mit Kultur vereinte. Das Stadtbild war durchzogen von Tavernen, Werkstätten und kleinen Läden, die das rege soziale Mit-

einander stützten. Gärten und Laubengänge spendeten Schatten, während in Atrien geschäftliche Verhandlungen ebenso stattfanden wie familiäre Feiern.

Der römische Naturforscher Plinius der Ältere, der das letzte Kapitel Pompejis aus nächster Nähe beobachtete, berichtete nicht nur von der zerstörerischen Gewalt des Vulkans, sondern auch von der beeindruckenden Lebenswelt, die ihm zum Opfer fiel. Der plötzliche Untergang Pompejis begrub die Stadt unter Asche – und bewahrte zugleich ein Bild des römischen Alltags, wie es kein Schriftstück je vermitteln könnte.

Dank der archäologischen Freilegungen wissen wir heute, wie facettenreich das Leben in Pompeji gewesen ist. Die Ausgrabungen fördern neben imposanter Architektur auch zahlreiche Gegenstände des Alltags zutage: kostbare Bronzen, Lampen, Werkzeuge, Münzen, Schmuck, Amphoren mit eingekratzten Namenszeichen. Jedes einzelne Stück erzählt eine persönliche Geschichte – von Liebe und Arbeit, von Aberglauben und Hoffnung, von familiären Traditionen oder wirtschaftlichem Ehrgeiz.

Pompeji ist heute nicht nur ein Ort der Erinnerung. Die Stadt bewahrt eine Vorstellung davon, wie antikes Leben organisiert, gestaltet und gelebt wurde – nicht durch Überlieferung, sondern durch den plötzlichen Stillstand, den die Katastrophe hinterließ.

Ein Augenzeugenbericht: „Asche und Schwefel – Mein letzter Blick auf Pompeji“


Ein fiktiver Augenzeugenbericht des Plinius Secundus, genannt der Ältere – inspiriert von den überlieferten Briefen seines Neffen zum Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 n. Chr.

Ich saß in meiner Schreibstube in Misenum, vertieft in meine naturkundlichen Manuskripte, als ein Bote hastig eintrat, mit blassem Gesicht und zitternder Stimme: „Eine Wolke über dem Vesuv – hoch aufragend, wie eine Pinie! Man sagt, sie wächst in den Himmel.“

„Nubes — incertum procul intuentibus ex quo monte — oriebatur, cuius similitudinem et formam non alia magis arbor quam pinus expresserit.“ (Plinius der Jüngere, Epistulae 6.16.4)


„Eine Wolke – aus der Ferne wusste man nicht, aus welchem Berg sie kam – stieg auf, deren Form und Gestalt am ehesten einer Pinie ähnelte.“

Ich legte die Feder aus der Hand. Die Erscheinung war ungewöhnlich – eine Wolke von seltener Form und Ausdehnung, aufgerichtet wie ein Baum. Zunächst glaubte ich an ein bloßes Naturphänomen. Doch dann erreichte mich die Nachricht: Menschen am Fuß des Vesuv baten um Hilfe. Der einzige Weg dorthin führte über das Meer. Als Kommandeur der Flotte von Misenum war es nicht nur meine Pflicht, sondern auch mein innerstes Anliegen, zu handeln – dort, wo Gefahr bestand.

Ein kleiner Schiffsverband wurde vorbereitet. Während die Mannschaft die Riemen schlug, stieg der Himmel zu einem düsteren Vorhang auf. Überall roch es nach Schwefel, ein heißer Wind fuhr über das Meer. Der Ascheregen hatte bereits begonnen. In Stabiae, wo meine Freunde Unterschlupf suchten, war der Tag zur Nacht geworden.

Als wir anlegten, eilten Frauen mit Tüchern über den Köpfen zu uns, Kinder weinten. „Die Erde bebt“, rief jemand, und tatsächlich – der Boden zitterte unter unseren Füßen.

Ich befahl, die Menschen an Bord zu bringen. Viele zögerten – aus Angst, Angehörige oder ihr Hab und Gut zurückzulassen. Doch die Furcht war größer. Sie klammerten sich an Hausaltäre, flehten die Götter um Gnade an. Ich sprach zu ihnen, doch ihr Vertrauen in die Götter war stärker als meine Worte. Die einen blieben zurück, andere rannten herbei.

„Alii parentes, alii liberos vocant; hi vocibus, illi manibus significabant.“ (Plin. ep. 6.20.7)

„Die einen riefen nach ihren Eltern, die anderen nach ihren Kindern; manche mit Worten, andere mit Gesten.“

Ein glühender Regen fiel, begleitet von Donnerschlägen, wie ich sie nie vernommen hatte. Ich zog mein Tuch fester um Nase und Mund, um den beißenden Rauch zu filtern. In meiner Brust brannten Schmerzen – es waren die giftigen Gase, die vom Berg herabströmten. Ich blieb zurück, um noch weitere zu retten. Doch die Kraft verließ mich. Dann sank ich nieder.

Man fand mich später – ohne äußere Verletzung, im Schutz eines Tuches. Mein Neffe wird berichten, wie ich starb: nicht aus Angst, sondern im Bemühen, zu handeln und zu helfen. Wenn mein Name bleibt, dann vielleicht als einer, der blieb, als andere gingen – nicht aus Pflicht, sondern weil es richtig schien, den Schwächeren beizustehen.

„Corpus inventum est integrum, inlaesum, opertum ut fuerat vestibus: habitus corporis quiescenti quam defuncto similior.“

(Plin. ep. 6.16.13)

„Der Körper wurde unversehrt, unverletzt und bekleidet – so wie er es zu Lebzeiten gewesen war – aufgefunden; seine Haltung ähnelte eher der eines Schlafenden als dem eines Verstorbenen.“

Pompeji verband funktionale Planung mit gestalterischem Anspruch – eine Kombination, die sich in der Straßenführung ebenso zeigt wie in architektonischen Details. Der erhaltene Stadtgrundriss legt nahe, dass Pompeji nach einem systematischen Raster angelegt war: Breite Straßen aus lokalem Vulkangestein – meist Vesuv-Basalt – durchzogen das Gebiet in einem weitgehend regelmäßigen Raster. Die Pflasterung bestand aus sorgfältig verlegten Steinblöcken, deren Oberflächen durch jahrzehntelangen Gebrauch geglättet und von Radspuren römischer Wagen tief geprägt wurden. Erhöhte Trittsteine ermöglichten es, bei Regen oder auf schmutzigen Wegen trockenen Fußes zu passieren – ein Hinweis auf praktische Erfahrung und städtische Planung. Ein ausgeklügeltes Versorgungssystem sicherte den Zugang zu frischem Wasser.

Öffentliche Brunnen standen an strategisch günstigen Punkten, gespeist durch das Aquädukt der Aqua Augusta, das Pompeji spätestens ab dem frühen 1. Jahrhundert v. Chr. erreichte. Über Zuleitungen gelangte das Wasser in ausgewählte Haushalte, wobei private Anschlüsse durch Bleirohre mit festgelegtem Durchmesser geregelt wurden. Eine Steuerung der Wasserversorgung – etwa durch begrenzte Durchflusszeiten – ist aus Rom bekannt, für Pompeji jedoch nicht eindeutig belegt. Abwässer wurden über offene Rinnen entlang der Gehsteige abgeleitet und sammelten sich an tiefergelegenen Punkten – ein einfacher, aber funktionierender Kreislauf, der städtisches Leben ermöglichte.

Hinter den Fassaden der Häuser verbarg sich eine erstaunliche Vielfalt an Wohnformen. Während in den Obergeschossen Mieträume mit einfachem Grundriss lagen, öffneten sich im Erdgeschoss großzügige Wohnhäuser mit Vestibül, Atrium, Impluvium und Peristyl. Innenhöfe mit Gärten, Hausaltären, Wasserbecken und Säulengängen schufen nicht nur ein angenehmes Raumklima, sondern offenbarten zusätzlich den sozialen Rang der Besitzer.

Die Wände waren farbig ausgemalt, teils mit Szenen aus Mythologie, Alltagsleben oder fiktiver Architektur – teilweise mit illusionistischen Effekten, die Tiefe vortäuschten, wo der Raum endete. Das Haus war Ort der Repräsentation und der Begegnung: Hier wurden Geschäfte verhandelt, Klienten empfangen und Feste gefeiert.

Märkte, Tempel, Thermen, Tavernen und Werkstätten prägten das Stadtbild ebenso wie stille Gärten oder öffentliche Gebäude entlang der Hauptachsen. Der Lebensraum war kein Zufall, sondern Ergebnis einer Kultur, die Technik, Sinnesfreude und soziale Ordnung auf eigene Weise in Einklang brachte..

Pompeji war keine perfekte Stadt – aber eine, die im Maßstab ihrer Zeit funktionierte. Die Verbindung von technischer Raffinesse, architektonischem Anspruch und pragmatischer Alltagsorganisation erlaubt heute einen einzigartigen Blick auf das urbane Leben in der Antike – ein Blick, den kein Schriftstück allein je so konkret vermittelt hätte.

Pompeji war eine Stadt des Genusses – und zugleich ein Zentrum von Handel und Arbeit. Hinter den kunstvoll bemalten Fassaden entfaltete sich ein wirtschaftliches Leben, das durch lokale Produktion, überregionale Handelsverbindungen und eine dichte Infrastruktur geprägt war. Tavernen, Werkstätten, Verkaufsstände und Lagerhäuser reihten sich entlang der Straßen. Sie versorgten die Stadtbevölkerung und waren zugleich Teil eines Warenaustauschs, der weit über die Grenzen Kampaniens hinausreichte.

Archäologische Funde zeugen von dieser regen Geschäftstätigkeit: Tonamphoren mit eingeritzten Zeichen und Stempeln lassen sich bis nach Hispanien, Gallien und Nordafrika zurückverfolgen. In den Lager- und Schankräumen wurden Wein, Öl, Fischsaucen und Getreide gehandelt – nicht selten

aus fernen Provinzen, die das Imperium mit Warenströmen verbanden. Die Funde von Münzen, Gewichten, Verkaufsregistern und Maßgefäßen deuten auf ein durchorganisiertes, oft standardisiertes Wirtschaftssystem hin, das Vertrauen, Kontrolle und Mobilität erforderte.

In den Handwerksbetrieben wurde nicht nur Alltägliches hergestellt, sondern auch Feines: Bronzegießer, Steinmetze, Weber, Färber und Töpfer arbeiteten mit Geschick und Erfahrung – viele in Familienbetrieben, deren Räume Wohnen und Arbeiten unter einem Dach vereinten. Besonders zahlreich waren die Bäckereien: Mehr als dreißig sind archäologisch nachgewiesen, oft ausgestattet mit Ofen, Teigmulde und rotierenden Mühlsteinen, die von Eseln oder Sklaven angetrieben wurden. Verkohlte Brotlaibe in einem Backraum zeugen von

einem gewöhnlichen Morgen, den die Katastrophe inmitten der Vorbereitung auf den Tag erstarren ließ.

Auch die Finanzwirtschaft war vertreten: Im Haus des Lucius Caecilius Iucundus, eines Bankiers, entdeckte man über 150 Wachstafeln mit Quittungen, Schuldscheinen und Zahlungsanweisungen. Sie geben seltene Einblicke in Hypothekengeschäfte, Erbschaften und städtische Bautätigkeit.

Was nach dem Vulkanausbruch blieb, sind Zeichen von Arbeit, Tausch und Organisation – eingefroren in einem Moment. Vielleicht liegt gerade darin der besondere Wert dieses Ortes: im Sichtbarwerden des Gewöhnlichen.

Die Wände und Böden wohlhabender Haushalte waren teils mit figürlichen und ornamentalen Darstellungen geschmückt. In Wohnräumen, Atrien und Gartenbereichen finden sich Szenen aus Mythologie und Alltag, architektonische Illusionen sowie geometrische Muster und farbige Felder. Die Gestaltung schuf eine bestimmte Atmosphäre und ließ ästhetische Vorlieben und kulturelle Werte der Bewohner sichtbar werden.

Die pompejanische Wandmalerei lässt sich – in vereinfachter Darstellung – in vier Hauptstile gliedern, wie sie August Mau im 19. Jahrhundert beschrieb: Der erste Stil ahmt Marmorverkleidungen nach, der zweite zeigt illusionistische Architektur und Tiefenräume. Der dritte Stil betont Farbflächen und zentrale Bildfelder, der vierte verbindet Elemente der vorherigen mit reicher Ornamentik. Dargestellt sind mythologische Szenen, Architekturen, Stillleben und Figurenbilder.

Ein vollständig erhaltener Bildfries in der Villa dei Misteri zeigt eine mehrteilige Szenenfolge mit lebensgroßen Figuren auf rotem Hintergrund. Die genaue Deutung ist bislang nicht abschließend geklärt; diskutiert wird ein Zusammenhang mit kultischen oder familiären Riten. Ausführung, Farbigkeit und Raumkomposition machen diese Bildfolge zu einem der eindrucksvollsten Beispiele römischer Wandmalerei.

Mosaike dienten in Pompeji überwiegend als Bodenbeläge. Ihr Spektrum reicht von einfachen Schwarz-Weiß-Ornamenten bis zu komplexen figürlichen Darstellungen. Das sogenannte Alexander-Mosaik aus dem Haus des Faun gehört zu den bekanntesten Beispielen: Es zeigt eine dynamische Kampfszene mit zwei berittenen Feldherren, darunter vermutlich Alexander der Große und Dareios III. Die Komposition besteht aus etwa 1,5 Millionen Tesserae. Stilistische Merkmale deuten darauf hin, dass das Mosaik auf ein verloren gegangenes hellenistisches Gemälde zurückgeht.

Neben großformatigen Darstellungen existieren zahlreiche kleinere Mosaike mit Tiermotiven, Theatermasken oder Aufschriften. Das bekannte Hundemosaik mit der Inschrift „Cave Canem“ befindet sich im Eingangsbereich eines Hauses und war dort für Besucher sichtbar eingelassen. Ein weiteres Mosaik mit maritimen Motiven stammt aus einem Speiseraum der Casa del Fauno. Es zeigt verschiedene Fischarten in detailreicher Ausführung.

Die Wand- und Bodendekorationen geben Einblick in künstlerische Vorlieben, Bildthemen, gestalterische Traditionen und die funktionale Nutzung von Räumen der römischen Kaiserzeit.

Öffentliche Vergnügungen waren fester Bestandteil des städtischen Lebens in Pompeji. Die archäologischen Überreste von Theatern, Thermen, dem Amphitheater und anderen öffentlichen Bauten geben Aufschluss über Formen von Freizeitgestaltung, körperlicher Betätigung und sozialem Miteinander im urbanen Alltag.

Das große Theater im Südwesten Pompejis wurde teilweise in den natürlichen Hang gebaut und bot Platz für etwa 5.000 Zuschauer. Die Anlage hatte eine Bühne mit aufwendig gestalteter Bühnenwand (scaenae frons), einen halbrunden Orchesterraum und eine stufenförmig ansteigende Zuschauertribüne (cavea), deren Sitzordnung nach sozialen Gruppen gegliedert war. Gespielt wurden Tragödien, Komödien und andere dramatische Formen. Ausstattung und Instandhaltungsmaßnahmen belegen eine regelmäßige Nutzung.

Daneben befindet sich ein kleineres, ursprünglich überdachtes Theater mit etwa 1.500 Plätzen, das häufig als Odeion bezeichnet wird. Es diente vermutlich musikalischen und literarischen Darbietungen. Beide Theater waren öffentlich zugänglich und gehörten zu einer monumentalen Baugruppe mit einem überdachten Säulenhof (Quadriportikus), der ursprünglich als Wandelhalle und Aufenthaltsbereich genutzt wurde.

Am südöstlichen Stadtrand befindet sich das Amphitheater von Pompeji. Es wurde um 70 v.  Chr. unter den duumviri Quinctius Valgus und Marcius Porcius errichtet und gilt als das älteste erhaltene Steinamphitheater der römischen Welt.

Mit rund 20.000 Sitzplätzen übertraf das Amphitheater von Pompeji die damalige Einwohnerzahl der Stadt deutlich. Die Anlage folgt dem typischen Aufbau mit elliptischer Arena, gestufter Zuschauertribüne (cavea) und umlaufender Umfassungsmauer. Inschriften, Graffiti und Wandmalereien – insbesondere aus dem Bereich der angrenzenden Gladiatorenschule (ludus) – dokumentieren die Namen und den Ruhm einzelner Kämpfer und bezeugen deren Popularität.

Funde von Spielmaterialien wie Würfeln, Spielsteinen und Brettspieltafeln zeigen, dass auch im privaten Bereich gespielt wurde. Spieltafeln wurden teilweise in den Boden von Hausfluren, Schwellen oder öffentlichen Plätzen eingekerbt.

Thermenanlagen wie die Stabianer Thermen, das Forumsthermenbad und die Suburbanen Thermen waren Orte der Körperpflege und zugleich Zentren sozialer Begegnung. Die Thermen boten mit Umkleiden, offenen Höfen und Ruhebereichen nicht nur Platz für Körperpflege, sondern auch für Gespräche und gemeinsames Verweilen.

Öffentliche Einrichtungen gehörten zum städtischen Alltag und waren bedeutende Orte der Begegnung, Geselligkeit und Regeneration. Sie ermöglichten gemeinschaftliche Erfahrungen und stärkten zugleich die Bindung der Bevölkerung an lokale Amtsträger und die kaiserliche Ordnung. Zufriedene Bürger galten als Grundlage für Stabilität und gesellschaftlichen Zusammenhalt im römischen Reich.

Die Ausgrabungen in Pompeji ermöglichen ungewöhnlich konkrete Einblicke in einzelne Lebensläufe. Inschriften, Wandgraffiti, Besitzvermerke, Wachstafeln und Bildnisse dokumentieren Namen, Tätigkeiten und soziale Rollen von Bewohnern der Stadt.

Ein Beispiel dafür ist ein Wandporträt aus dem Haus VI 14,25. Es zeigt ein Ehepaar – eine Frau mit Schreibgriffel und Wachstafel, sowie einen Mann mit Schriftrolle. Die Malerei stammt aus einem Repräsentationsraum nahe dem Eingangsbereich. Am selben Gebäude bezeugt eine Inschrift den Namen eines Terentius Neo, der das Haus zur Zeit des Ausbruchs besessen haben dürfte. Die Darstellung ist nicht beschriftet, eine direkte Identifikation bleibt daher offen. Das Bild gilt als eines der am besten erhaltenen Porträts aus dem römischen Alltag und befindet sich heute im Museo Archeologico Nazionale in Neapel (Inv.-Nr. 9084).

Im Haus V 1,26 wurde ein umfangreiches Archiv des Bankiers Lucius Caecilius Iucundus gefunden. Es umfasst 154 Wachstafeln, die Geschäftsvorgänge aus den Jahren 53 bis 62 n. Chr. dokumentieren. Darunter finden sich Zahlungsquittungen, Auktionserlöse und Abgaben im Zusammenhang mit städtischen Bauvorhaben. Die Tafeln erlauben Einblicke in wirtschaftliche Praktiken und Vertragswesen in einer römischen Stadt der Kaiserzeit.

Zahlreiche Graffiti dokumentieren Bekanntmachungen und persönliche Botschaften im Stadtbild von Pompeji. Neben politischen Wahlaufrufen finden sich Hinweise auf Gladiatorenkämpfe, Preisaushänge und Verse. Die Inschriften wurden meist mit roter oder schwarzer Farbe auf Fassaden aufgetragen oder direkt in frischen Putz eingeritzt. Ihre sprachliche Form reicht vom Umgangslatein bis hin zu poetische Zeilen und abgekürzten Schreibweisen.

Sachfunde aus privaten Haushalten ergänzen das Bild individueller Lebensumstände. Werkzeuge mit Gebrauchsspuren, Schmuckstücke mit eingravierten Namen, Schlüsselbunde, Geldbörsen und Spielzeug zeigen die materielle Ausstattung unterschiedlicher sozialer Gruppen. In einem Fall wurde ein Beutel mit Münzen im Hausflur eines Wohnhauses geborgen, der offenbar in der Eile des Ausbruchs zurückgelassen wurde. Auch Kinderspielzeuge aus Terrakotta oder Holz sind aus mehreren Fundkontexten bekannt.

Diese Dokumente und Objekte erlauben eine Annäherung an Einzelpersonen – nicht im Sinne vollständiger Biographien, aber als konkrete Zeugnisse von Handlung, Besitz und Erinnerung. Pompeji liefert dadurch ein einzigartiges Quellenensemble zur Erforschung individueller Lebensspuren in einer antiken Stadt.

Die Stabianer Thermen in Pompeji zählen zu den am besten erhaltenen und frühesten Beispielen römischer Badekultur. Bereits kurz nach 80 v. Chr. errichtet, wurden sie im 1. Jh. n. Chr. mehrfach umgebaut und erweiterten insbesondere den separaten Frauentrakt, dessen Apodyterium (Umkleideraum) mit Einlegearbeiten und Wandmalereien geschmückt war. Hier beginnt – atmosphärisch vorstellbar und durch bauliche Überreste belegt – der sorgfältig ritualisierte Badebesuch einer wohlhabenden Frau der Stadt.

Begleitet von einer Sklavin tritt eine Dame, die Ehefrau eines Magistraten in das Apodyterium. Ihre Tunika wird sorgsam abgelegt, das Haar zu einem Knoten gebunden. In einem kleinen Korb trägt die Dienerin persönliche Pflegeutensilien: feine Glasflakons mit Duftöl, eine Bronzepinzette, ein Kosmetikspatel aus Bein und ein zylindrisches Salbgefäß aus römischer Keramik.

Der Weg führt weiter durch das Tepidarium (lauwarmes Bad) in das Caldararium, wo heißer Wasserdampf die Poren öffnet und die Haut weich macht. Hier wird der Körper mit duftender Seife gereinigt und mit einem Strigilis (Schabeisen) von Schweiß und Öl befreit – ein Vorgang, der Reinigung und Massage zugleich bedeutet. Nach dem Bad folgt das eigentliche Schönheitsritual: Die Sklavin öffnet eines der kleinen, kunstvoll gefertigten Glasfläschchen und

trägt eine wohlriechende Essenz auf Schultern, Hals und Haare ihrer Herrin auf. Besonders geschätzt sind zu dieser Zeit importierte Duftöle mit Rosen, Narde oder Myrrhe, die nicht nur pflegen, sondern auch ein Zeichen von Geschmack und Weltgewandtheit sind.

Ein filigranes Kosmetikbesteck diente der Anwendung verschiedener Schönheitsmittel: Eine helle Grundierung wurde häufig auf Basis von Bleiweiß oder Alabaster aufgetragen, ergänzt durch Lippenfarbe aus rotem Eisenoxid und Kajal aus Kohle oder Antimonverbindungen. Die Frisur wurde anschließend mit Haarnadeln aus Bronze, Bein oder Elfenbein zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur geformt – ein Stil, der auf Wandmalereien wie in der Casa dei Vettii oder in zeitgenössischen Marmorporträts überliefert ist.

Der Badebesuch war im römischen Alltag weit mehr als Hygiene: Er war gesellschaftliches Ritual, Entspannung, Schönheitskultur – und nicht zuletzt ein Ausdruck von Status. Die erhaltenen Funde aus Pompeji – von einfachen Terrakottasalbgefäßen bis zu verzierten Glasflakons – veranschaulichen die Vielfalt weiblicher Lebenswelt, in der Duft und Pflege eine zentrale Rolle spielten. Für Sammler und Museen sind diese Objekte Überreste eines kultivierten Alltags, in dem Körperpflege und Ästhetik eng mit Identität und sozialer Zugehörigkeit verbunden waren.

Originale römische Glasgefäße – jetzt entdecken und sammeln

Der Untergang Pompejis durch den Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. markiert eines der am besten dokumentierten Katastrophenereignisse der Antike. Durch die konservierende Wirkung der vulkanischen Ablagerungen blieben neben Gebäuden, Wandmalereien und Alltagsgegenständen auch zahlreiche menschliche Opfer erhalten.

Der römische Schriftsteller Plinius der Jüngere schilderte in zwei Briefen an den Historiker Tacitus die Eruption, die er als Augenzeuge aus der Nachbarstadt Misenum erlebte. Seine Berichte gelten als Hauptquelle für die Rekonstruktion des Geschehens. Sie beschreiben eine hohe Aschensäule, das zunehmende Beben des Bodens, Dunkelheit am helllichten Tag – und wie sich das Meer unerwartet weit zurückzog.

Bei der Eruption handelte es sich um eine sogenannte plinianische Phase, gefolgt von pyroklastischen Strömen, Ascheregen und Gasemissionen. Zunächst lagerten sich über mehrere Stunden hinweg Bimsstein und feine Asche ab, die Dächer zum Einsturz brachten und Fluchtwege versperrten. Später wälzten sich pyroklastische Ströme – heiße Gas- und Gesteinslawinen – über das Stadtgebiet und begruben große Teile Pompejis unter sich. Die Zahl der Todesopfer lässt sich nicht genau bestimmen. Bis heute wurden in Pompeji mehr als 1.100 menschliche Überreste dokumentiert. Einige davon zeigen Schutzhaltungen oder Hinweise auf Fluchtbewegungen.

Besonders bekannt sind die sogenannten Gipsabgüsse, die ab dem späten 19. Jahrhundert mithilfe der Technik von Giuseppe Fiorelli angefertigt wurden: An Stellen, an denen organisches Material vergangen war, aber der Hohlraum im Bimsstein erhalten blieb, wurde flüssiger Gips eingefüllt. So entstanden plastische Negative menschlicher Körperhaltungen in ihrem letzten Moment.

Die Gipsabgüsse zeigen Erwachsene, Kinder und Haustiere. Sie wurden sowohl in Wohnhäusern als auch auf Straßen, in Werkstätten und Gärten gefunden. Aufgrund der Fundkontexte lassen sich in vielen Fällen Aufenthaltsorte, Aktivitäten oder Bewegungsrichtungen rekonstruieren, ohne dass sichere Aussagen über die individuelle Identität möglich wären.

Pompeji wurde nach dem Ausbruch nicht wiederbesiedelt. In römischen Quellen taucht der Ort nur noch als Landmarke auf. Die Wiederentdeckung begann im 18. Jahrhundert unter der Herrschaft der Bourbonen. Systematische Ausgrabungen folgten ab dem 19. Jahrhundert, teils unter methodisch wechselhaften Bedingungen. Seit dem 20. Jahrhundert steht die Konservierung der Substanz verstärkt im Fokus.

Heute ist Pompeji ein internationales Forschungsfeld. Die Überlieferung des Todes hat nicht nur zur Erschließung antiken Lebens beigetragen, sondern auch zu ethischen Debatten über den Umgang mit menschlichen Überresten, Erinnerungskultur und archäologischer Sichtbarkeit.